(Un-)begrenzte Freiheit auf zwei Rädern? Aktuelles zu Herstellerfreigaben und Abnahme von Motorradreifen

Wie eigentlich jede Art von Kfz-Bereifung sind auch Motorradreifen „eine Wissenschaft für sich“. Durchmesser, Breite, Querschnitt, Abrollumfang, Speedindex und Lastindex… neben dem richtigen Reifendruck und ausreichender Profiltiefe gibt es eine Menge Parameter, die für angemessene Fahrperformance und vor allem für StVZO-konforme Betriebssicherheit verantwortlich sind.
Wer aber die Liebe zum Zweirad für sich entdeckt hat, durfte (zumindest bislang) feststellen, dass passende Bike-Bereifung dank der Regelung durch Herstellerfreigaben seitens der Reifenmarken relativ schnell und unkompliziert zu finden war.
Die reine Handhabung und Umrüstung von Motorradreifen mittels Unbedenklichkeitsbescheinigung (UBB) der Reifenhersteller ist aber im Zuge einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weitestgehend hinfällig. Die Neuregelung trat mit Jahresbeginn 2020 in Kraft und für gewisse Fälle herrschte noch eine Schonfrist bis zum Jahresende 2024. Darüber hinaus müssen sich Motorradfahrer gegenwärtig und künftig auf mehr Zeitaufwand und Kosten einstellen, da eine Umbereifung am Motorrad pauschal mit der Begutachtung und Abnahme durch eine Prüforganisation verbunden ist.
Was bedeutet das für Motorradfahrer im Detail? Welche Änderungen und Einschnitte, aber auch Chancen und Vorteile haben Biker durch die Regelung für neue Motorradreifen seit dem 1.1.2025?
Reifen24.de nimmt das Thema für Sie ins Visier!
Überblick: Motorradreifen Neuregelung
- Bisherige Handhabung von Motorradreifen über Herstellerfreigaben
- Neuregelung für Motorradreifen: Was genau ändert sich?
- Motorradreifen Einzelabnahme: Details und Ausnahmen
- Einzelabnahme oder Austragung von Reifengrößen: Was ist konkret zu tun?
- Hat die Neuregelung auch positive Aspekte für Biker?
- Herstellerfreigaben jetzt hinfällig?
- Neuregelung längst überfällig oder total überflüssig?

Bisherige Handhabung von Motorradreifen über Herstellerfreigaben
Bei der Entwicklung von Motorrädern haben die Fahrzeughersteller (Motorradmarken) ihre neuen Krads oft in Zusammenarbeit mit nur einem bestimmten Reifenhersteller getestet. In Vergangenheit war es nicht unüblich, dass dieser spezifische Reifenhersteller dann auch in den Papieren vermerkt war bzw. bei Zulassungsbescheinigungen älterer Fahrzeuge immer noch vermerkt ist. Die Herstellerangabe im Fahrzeugschein kann in Ausnahmefällen als sogenannte Fabrikatsbindung noch verbindlich sein, ist aber mittlerweile in den gängigsten Fällen lediglich als Empfehlung zu sehen.
Sofern ein Reifenmodell einer anderen Marke mit denselben oder vergleichbaren Dimensionen und Spezifikationen am Motorrad montiert werden soll, ist die in der Zulassungsbescheinigung eingetragene Reifenmarke und das Modell lediglich als Bereifungsempfehlung zu betrachten und nicht bindend.
Um eine Fabrikatsbindung zu umgehen und das volle Potenzial des Reifenmarktes und der Motorräder auszuschöpfen, haben sich Fahrzeug- und Reifenhersteller seit 2008/2009 auf gemeinsame Testverfahren geeinigt. In umfassenden Tests werden seitdem Motorrad- und Reifenmodelle regelmäßig kombiniert und strengen, praxisnahen Prüfungen unterzogen.
So kamen und kommen auch weiterhin die etablierten Herstellerfreigaben zustande, die auch als Unbedenklichkeitsbescheinigung (UBB) sowie Herstellerbescheinigung, Servicebescheinigung oder Reifenfabrikatsbindung bekannt sind und bislang Gang und Gäbe waren.
Gemeinsame, intensive Testverfahren zwischen Motorradherstellern und Reifenmarken wie u. a. Metzeler, Pirelli, Maxxis, Michelin, Bridgestone, Continental, Heidenau u. v. m. wurden bislang als reliable Grundlage für die Reifenfreigaben auf den unterschiedlichen Motorradmodellen akzeptiert. Die speziellen Bedingungen auf eigenen Teststrecken boten aussagekräftige Ergebnisse, um die Kombination aus Motorrad- und Reifenmodell als unbedenklich (oder eben nicht) für den öffentlichen Straßenverkehr einzustufen. Die Freigabe des Reifenherstellers hatten Motorradfahrer bislang als Nachweis bei jeder Fahrt stets mitzuführen.
Mit der 2018/2019 beschlossenen Neuregelung ändert sich daran nun einiges. Insbesondere seit Januar 2025 – nach Ablauf einer gewissen „Schonfrist“ – sind viele Motorradfahrer jetzt direkt betroffen.

Neuregelung für Motorradreifen: Was genau ändert sich?
Bereits seit vielen Jahren war Prüforganisationen daran gelegen, die bewährte Regelung auf Basis der Herstellerfreigaben zu kippen. Der Gesetzgeber hat die Apelle in Vergangenheit abgelehnt – bis es 2019 doch zur Änderung kam und sich seitdem für Motorradfahrer einiges geändert hat – spätestens mit Jahresbeginn 2025.
Mit der neuen Regelung ändert sich vor allem die Voraussetzung, dass ein Reifen nicht mehr final durch den Reifenhersteller, sondern im Zweifel durch eine gesonderte Abnahme durch eine Prüforganisation wie Dekra oder TÜV freigegeben wird.
Ob und wann die neue Regelung im individuellen Einzelfall greift oder nicht, hängt insbesondere vom Motorradreifen selbst ab. Prinzipiell umfasst das Gesetz alle Motorräder mit EG-Typgenehmigung 2002 (Richtlinie 2002/24/EG).
Wichtig ist dabei zu beachten, dass eine Veränderung am Fahrzeug, die den Bauraum der Reifen betrifft immer mit einem Erlöschen der Betriebserlaubnis verbunden ist.
Ausgehend vom Reifen waren vor allem das Reifenalter (DOT) und die Dimensionen ausschlaggebend. Zunächst waren alle Motorradreifen mit DOT ab 1.1.2020 von der Neuregelung betroffen.
Solche Motorradreifen, deren DOT bis einschließlich 31.12.2019 datiert ist, unterlagen einer Schonfrist bis einschließlich 31.12.2024. Für diese Reifen galt innerhalb dieser Frist auch weiterhin das Herstellerfreigabe-Prinzip und die UBB musste wie gewohnt bei jeder Fahrt mitgeführt werden. Sobald das Krad aber mit neuen Reifen ausgestattet wurde, die von den Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung abwichen, fiel es aber unter die Neuregelung.
Motorradreifen Einzelabnahme: Details und Ausnahmen
Die neue Regelung ist vor allem im Falle einer Umbereifung relevant, also wenn Änderungen der Dimensionen und Spezifikation erfolgen. Solange neue Reifen dieselben Parameter wie die in den Fahrzeugpapieren aufgeführte Bereifung haben, ist keine Einzelabnahme erforderlich.
Notwendig wird die Abnahme erst dann, wenn die neuen Reifeneigenschaften von den Vorgaben im Fahrzeugschein abweichen. Das Grundprinzip ist damit ähnlich der Handhabung von Rad-Reifen- Kombinationen bei Autos. Es handelt sich bei der Zulassung neuer Motorradreifen somit also offiziell um eine Einzelabnahme nach § 19 (2) gemäß Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO).
Ist ein neuer Reifen bspw. breiter, mit größerem Querschnitt oder weicht in seinen Eigenschaften anderweitig von der Vorgabe des Motorradherstellers ab, so wird eine Einzelabnahme fällig. Solche Abweichungen, die vorher noch durch die Freigaben der Reifenhersteller abgedeckt waren, sind damit außer Kraft gesetzt. Stattdessen müssen Motorradfahrer sich entweder an der genauen Reifenbindung der Fahrzeughersteller orientieren oder aber Zeit, Aufwand, Kosten und Risiken einer Abnahme durch TÜV, Dekra, GTÜ & Co. in Kauf nehmen.
Zwar hat es nicht jeder Motorradfahrer darauf abgesehen, seine Reifeneigenschaften und -dimensionen irgendwann zu ändern, jedoch gibt es auch Fälle, in denen kaum eine andere Wahl besteht. Handelt es sich zum Beispiel um ein älteres Motorrad oder ein älteres Reifenmodell, das in den lt. Fahrzeugschein geforderten Dimensionen nicht länger produziert wird, so sind Biker quasi zu einer Umbereifung gezwungen. Auch in solch einem Fall stellte das Prinzip der UBB durch die Reifenhersteller die „Rettung“ für Motorradfahrer dar, weil neue Bereifung einfach, sicher und unkompliziert gefunden und verwendet werden konnte. Die Neuregelung wartet hier hingegen mit erschwerten Bedingungen auf.
Einzelabnahme oder Austragung von Reifengrößen: Was ist konkret zu tun?
Im Wesentlichen gibt es künftig zwei unterschiedliche Möglichkeiten, neue Reifen legal auf ein Motorrad zu bringen. Einerseits ist dies die klassische Einzelabnahme mit Eintragung in die Fahrzeugpapiere, andererseits die Austragung der vorherigen Reifenbindung.
Einzelabnahme/Eintragung
Um neue Motorradreifen mit abweichenden Spezifikationen ab 2025 in die Fahrzeugpapiere einzutragen, ist ein Termin bei einer Prüforganisation erforderlich. Die einzutragenden Reifen müssen bereits am Motorrad montiert sein, zudem benötigen Sie Ihren Fahrzeugschein.
Weitere Informationsdokumente zum Fahrzeug oder Reifen können hilfreich sein, sind aber nicht zwingend erforderlich. Entsprechende Prüfstellen können die benötigten Daten bei Bedarf auch über ihre Systeme abrufen. Die Prüfstelle kontrolliert die Maße, Spezifikationen und die Freigängigkeit bei der konkreten Kombination aus Reifen und Fahrzeug. Hierzu wird in der Regel auch eine Testfahrt durch den Prüfer durchgeführt.
Wird das vorliegende Reifenfabrikat für Ihr Motorrad erfolgreich abgenommen, müssen Sie mit dem Gutachten zur Erlangung einer Betriebserlaubnis zur zuständigen Behörde, um Ihre neuen Reifendaten in die Zulassungsbescheinigung Teil 1 (Fahrzeugschein) eintragen zu lassen. Damit einhergehend wird der alte Eintrag aus der Zulassungsbescheinigung entfernt und ungültig. Der Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil 2) ist von dieser Eintragung normalerweise nicht betroffen und bleibt unverändert.
Reifenbindung austragen
Die Austragung einer Reifenbindung aus den Fahrzeugpapieren ist vor allem bei älteren Motorrädern relevant. Prüforganisationen untersuchen die Fahrzeug-Reifen-Kombination und erstellen ein Gutachten für eine konkrete Reifengröße, die künftig universell für das Fahrzeug und Reifenhersteller-unabhängig zulässig ist.
Im Gegensatz zur Eintragung neuer Reifen ist bei der Austragung der Reifenbindung normalerweise keine Begutachtungsfahrt durch Prüfer notwendig. Das weitere Vorgehen gleicht aber dem der Eintragung zum Großteil. Auch beim Austragen von Motorradreifen müssen Sie das von der Prüfstelle ausgestellte Gutachten der zuständigen Behörde (Straßenverkehrsamt) vorlegen, um damit die Betriebserlaubnis erteilen zu lassen. Dabei kann es allerdings gut sein, dass nicht der Fahrzeugschein sondern auch der Fahrzeugbrief umgeschrieben und neu erstellt werden muss.
Alte Motorradreifen mit Zollgrößen
Bei älteren Reifenmodellen, deren Dimensionen in Zoll angegeben sind, verhält es sich ähnlich wie bei der Ein- und Austragung. Die alte Zollangabe muss durch eine Prüfstelle in eine metrische Einheit übersetzt werden (gängige Reifengrößen-Angaben). Dies kann jedoch nicht rein rechnerisch erfolgen, sondern muss anhand von Messverfahren und unter Berücksichtigung von Toleranzen ebenfalls in einer Einzelabnahme durchgeführt werden. Auch hierbei ist wie im Falle der Eintragung eine Testfahrt durch den Prüfer erforderlich.
Gut zu wissen: Die neuen Reifen bzw. abweichende Reifengrößen müssen zur Begutachtung durch die Prüfstelle am Fahrzeug montiert sein. Der Weg zur Prüfstelle findet also theoretisch „ohne Betriebserlaubnis“ statt. Dennoch ist diese Fahrt zur Vorführung legal und versichert.
Hat die Neuregelung auch positive Aspekte für Biker?
Primär ist die neue Gesetzgebung zur Einzelabnahme bei Umbereifung mit Mehrkosten und zusätzlichem Aufwand für Motorradfahrer verbunden. Es wird komplizierter und teurer, Motorradreifen-Abweichungen vom Certificate of Conformity (COC) tatsächlich für den Straßenverkehr zuzulassen.
Dennoch dürfen Bike-Freunde der Neuregelung auch positive Aspekte abgewinnen. So ist bspw. bei einer reinen Abweichung des Reifenherstellers nicht automatisch eine Abnahme erforderlich, solange alle Dimensionen und Eigenschaften mit den Daten in den Papieren übereinstimmen oder diese sogar übertroffen werden. Die grundsätzlichen Maße wie Zollgröße, Abrollumfang, Breite und Querschnitt müssen also identisch sein bzw. innerhalb des vorgegebenen Spektrums der Dimensionen in der Zulassungsbescheinigung liegen.
Wie bei Autoreifen dürfen Lastindex und Speedindex auch nach oben abweichen, nicht aber geringer als die Vorgabe des Motorradherstellers sein. Bei einer einfachen Umrüstung mit original Dimensionen ist keine Eintragung erforderlich.

Ein weiterer Aspekt, der Motorradfahrer zu Gute kommen könnte, ist die Tatsache, dass Motorradreifen durch die Reifenhersteller oft als Kombination aus Vorder- und Hinterrad angeboten werden. Durch die wegfallende Orientierung an Herstellerfreigaben kann die jetzt geltende Neuregelung dazu führen, dass Mischbereifung erlaubt ist. So könnten Biker also bspw. auf der Hinterachse einen Michelin und auf der Vorderachse einen Continental Reifen fahren, sofern andere Eigenschaften der Reifen und des Fahrzeugs den Vorgaben entsprechen.
Als zusätzlicher Faktor entfällt das Mitführen der UBB der Reifenhersteller seit Jahresbeginn 2025. Zwar kann das herstellerseitige Dokument bspw. bei Verkehrskontrollen, Prüfungen und Abnahmen noch als hilfreiche Informationsquelle dienen, die bisherige Pflicht ist aber hinfällig und die Unbedenklichkeitsbescheinigung darf zuhause bleiben.
Neuregelung längst überfällig oder total überflüssig?
Unter betroffenen Motorradfahrern sorgt die Neuregelung tendenziell für Unmut. Klar: Kosten und Aufwand steigen, es wird deutlich komplizierter, sich mit neuer (abweichender) Bereifung auszustatten.
Die Tests und Freigaben der Reifenhersteller genießen in der Branche und Szene großes Vertrauen, denn schließlich ist auch den Herstellern daran gelegen, ihre Produkte sicher und zuverlässig in den Verkehr zu bringen.
Warum sollte man also das funktionierende System ändern, fragen sich viele. Andererseits lässt sich entgegnen, dass nun die Motorradreifen-Bedingungen näher an den schon lange bestehenden Reifenvorgaben für PKW, SUV, Transporter und Co. orientiert sind. Unabhängige Prüfer und Gutachter können Reifen und Fahrzeug während einer Einzelabnahme in der Regel nicht so gut beurteilen wie die Hersteller in ausgiebigen Testverfahren. Aber: Der Prüfer ist unabhängig.
Damit Sie grundsätzlich weniger Aufwand mit dem Wechsel Ihrer Motorradreifen haben und dieser seltener notwendig ist, lohnt sich die richtige Pflege und Wartung der Reifen.
Das wirkt alles sehr kompliziert und sorgt für verärgerte Gemüter unter Motorradfreunden. Etwas mehr Dynamik und weniger Bürokratie kommt schon direkt mit der Anschaffung neuer Motorradreifen bei Reifen24.de auf – denn wir gestalten die Reifensuche und den Bestellprozess einfach und intuitiv!
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Herstellerfreigaben jetzt hinfällig?
Komplett nutzlos werden Herstellerfreigaben durch die Neuregelung natürlich nicht. Im Gegenteil: Die Tests und die daraus resultierenden Freigaben der Reifenmarken bieten Motorradfahrern weiterhin wertvolle Orientierung. Zudem können Prüfer und Gutachter die Informationen aus den Herstellerfreigaben als unterstützende Referenz bei Einzelabnahmen nutzen.
Wenn sich auch die gesamte Regelung rund um Krad-Pneus aus Motorradfahrer-Perspektive geändert hat, so bleiben doch die Dokumente der Industrie, also der Reifen- und Motorradhersteller, eine hilfreiche Grundlage für die Anschaffung, Begutachtung und Eintragung neuer Motorradreifen.